niedziela, 27 grudnia 2015

SPIEGEL-Brief

Sehr geehrter Herr Pascal Alter!
Manchmal beneide ich meinen Ressortkollegen Philip Bethge. Für diese Ausgabe ist er in den Westen der Elfenbeinküste gereist und hat dort Schimpansen beobachtet. Seit Wochen bestaune ich seine Fotos. Doch was beim Mittagessen so vergnüglich klang - wie sich die Schimpansen an ihren langen Armen aus dem Geäst herabhangeln, wie sie einander durchs Fell fahren und wie Bethge das Hämmern ihrer Fäuste schon von Weitem hören konnte -, hat leider einen traurigen Hintergrund. 200.000 Schimpansen gibt es noch, rund ein Fünftel so viele wie noch vor hundert Jahren. Verschwinden unsere nächsten Verwandten, schreibt Bethge, verschwindet auch eine einzigartige Kultur. Wie Bayern und Ostfriesen haben nämlich auch Menschenaffen je nach Region unterschiedliche Gepflogenheiten. Die Schimpansen des Taï-Nationalparks zum Beispiel knacken ­- so wie Sie jetzt vielleicht während der Weihnachtszeit - gern Nüsse.
Eine Reise ganz anderer Art hat mein Kollege Jonathan Stock auf sich genommen - nur bin ich mir in diesem Fall nicht sicher, ob ich ihn darum beneide. Stock hat einen jungen Mann aus Damaskus begleitet. Kalil, so heißt der Flüchtling, wagte sich in einem Schlauchboot über das Meer. 20 Stunden lang standen sie Schlange, um die Grenze in die EU zu übertreten. Sie hungerten und froren. Es ist ein bewegender und kluger Text und mein Lieblingsstück in diesem Heft. Europa, schreibt Stock, habe Kalil sich so erhofft: "Gute Menschen in einem reichen Land." Ob Deutschland diesen Erwartungen standhält? 
2015 war ein düsteres Jahr. Terror in Frankreich, Krieg in Syrien, der Absturz der Germanwings-Maschine, korrupte Fifa-Funktionäre und gekaufte Sommermärchen. Diejenigen, die über all das berichten, die Korrespondenten und Redakteure des SPIEGEL, erzählen in diesem Heft, wie sie das Jahr erlebt haben, was die wichtigsten Geschichten für sie waren. Sie berichten von guten Freunden, die sie verloren haben, von brenzligen Recherchen, vom Händeschütteln mit Demagogen und von Wirtschaftsbossen, die sich um Kopf und Kragen gelogen haben. Manche dieser Einblicke sind berührend, andere unterhaltsam. Denn, ja: Nicht alles ist schlecht gewesen.
Fröhliche Weihnachten und viel Spaß beim Lesen des neuen SPIEGEL wünscht Ihnen
Ihre Laura Höflinger
SPIEGEL-Redakteurin

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