sobota, 30 kwietnia 2016

SPIEGEL-Brief


Liebe Leserin, lieber Leser!
Es ist ungewöhnlich, dass ein Artikel im SPIEGEL mit einer Handlungsanweisung beginnt, besonders wenn sie klingt wie die Anleitung zum Bau eines Wandregals: "Bitte nehmen Sie einen Zollstock zur Hand. Klappen Sie diesen auf die volle Zwei-Meter-Länge aus", so beginnt mein Kollege Guido Mingels seinen Text über globale Migration. Das, was bei dieser Übung herauskommt, ist aber so beeindruckend, dass sich die Hausaufgabe auf jeden Fall lohnt, gerade für all jene, die seit vergangenem Jahr von "Einwandererfluten" und "Flüchtlingswellen" sprechen. Denn auf dem Zollstock zeigt sich, wie hysterisch die Migrationsdebatte, gemessen an den tatsächlichen Zahlen, mitunter ist. Das Zwei-Meter-Maß entspricht in der Rechnung, die Mingels neben anderen überraschenden Erkenntnissen von seinem Besuch beim englischen Sozialstatistiker und Bevölkerungsforscher Guy J. Abel mitgebracht hat, der gesamten Weltbevölkerung. Ins Verhältnis dazu setzt Abel all jene Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Heimat verlassen haben - sie entsprechen auf dem Zollstock einem einzigen Zentimeter. Der Rest, 199 Zentimeter, ist zu Hause geblieben. Manchmal ist es gut, die Dinge im richtigen Maßstab zu betrachten.
Vor diesem Hintergrund liest sich auch der Essay "Das Grenz-Paradox" von Thomas Darnstädt mit klarerem Blick. Es geht um die Frage, ob ein Staat seine Grenzen schützen muss. Darum, ob es rechtens ist, seine Grenzen mit Zäunen, Stacheldraht und Tränengas gegen Menschen zu verteidigen. Der Text erläutert, warum Grenzen kein geeignetes Instrument sind, Probleme mit Fremden zu klären. "Wer Grenzen als Schutzwälle gegen Zuwanderer einsetzt, missbraucht sie", schreibt Darnstädt. Was nicht heiße, dass ein Staat recht- und hilflos ist bei der Aufgabe, Einwanderung zu steuern.
Die junge Frauenrechtlerin Laurie Penny ist erstaunlicherweise - ganz ohne dafür einwandern zu müssen - in Deutschland berühmter geworden als in ihrer Heimat Großbritannien. Die hyperaktive Harvard-Stipendiatin ist zum Phänomen geworden, wird von Medien als "radikalste Stimme des Feminismus" bezeichnet. Meine Kollegin Maren Keller war zu Besuch in Pennys Londoner WG, in der eine Liste hängt, auf der nicht nur steht, wie jeder der neun Mitbewohner seinen Tee trinkt, sondern auch, welches Geschlechtspronomen er oder sie für sich beansprucht - ein unterhaltsames Porträt aus der Welt des modernen Feminismus.
Eine spannende SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Dialika Neufeld
SPIEGEL-Redakteurin

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