Liebe Leserin, lieber Leser!
Die Deutschen klagen gern über Missstände im Gesundheitssystem: immer weniger Hausärzte auf dem Land, lange Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt, Zweiklassenmedizin, Übertherapie. Zur Läuterung empfehle ich die Reportage meines Kollegen Bernhard Zand über den chinesischen Arbeiter Zheng Yanliang, der sich selbst ein Bein absägte. Zheng, mangelhaft krankenversichert wie die meisten Chinesen und angestellt in einer Ziegelei, spürt eines Abends einen heftigen Schmerz in der Leiste. Seine Zehen werden blau, er kann die Beine nicht bewegen. Freunde fahren ihn ins Krankenhaus, denn Rettungswagen gibt es nicht. Am anderen Morgen diagnostizieren die Ärzte einen Arterienverschluss, der lebensbedrohlich sein kann, und überweisen ihn an ein großes Militärkrankenhaus in Peking. Dort folgen neue Untersuchungen - solange Zheng zahlen kann. Für die rettende Amputation reicht sein Geld allerdings nicht mehr, und die Ärzte schicken ihn einfach nach Hause. Zhengs Odyssee durch einen Medizinbetrieb, in dem jeder vierte Arzt an überlastungsbedingten Depressionen leidet, ist auch eine Parabel über ein Land im Umbruch - ein Land, schreibt Bernhard Zand, "in dem der Fortschritt für die Massen alles ist und das Schicksal des Einzelnen nichts".
Was ist der Unterschied zwischen der Pharma- und der Fernsehbranche? "Die Weihnachtsfeier bei Novartis war immer um elf zu Ende, bei ProSiebenSat.1 geht es bis morgens um fünf", sagt Thomas Ebeling, Vorstandschef bei dem Münchner Medienunternehmen. Als Manager hat Ebeling früher Zigaretten, Cola und Medikamente verkauft; jetzt ist sein Job, die Generation YouTube vom Wegzappen abzuhalten. In einem unterhaltsamen Gespräch erklärt er den Redakteuren Isabell Hülsen und Markus Brauck, warum Fernsehmacher heute ständig neue Reize liefern müssen - und dass die glamourösen Zeiten der TV-Macher vorbei sind.
Er war ein Held meiner Studientage - als angehende Biowissenschaftler staunten meine Kommilitonen und ich über die bizarren Patientenschicksale im Sachbuch "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte", wir litten mit den Nervenkranken im Hollywoodfilm "Zeit des Erwachens", wo wir Robin Williams sahen in der Rolle des jungen Neurologen Oliver Sacks. Millionen Leser auf der ganzen Welt lasen Sacks' medizinische Fallgeschichten, stets ebenso kenntnisreich wie einfühlsam erzählt, und gelangten so zu unverhofften Einsichten über Gesundheit und Krankheit, Normalität, Irrsinn und den schmalen Grat, der das eine vom anderen trennt. Jetzt ist Sacks, 81, schwer an Krebs erkrankt und hat in einem sehr persönlichen Essay seine Ansichten zum Zusammenwirken von Körper und Geist dargelegt.
Viel Spaß bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Julia Koch
SPIEGEL-Redakteurin
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