Sehr geehrter Herr Pascal Alter !
Vor 25 Jahren lernte ich während des Studiums in Boston Jim O'Donnell kennen, einen amerikanischen Journalisten, der als junger Soldat 1945 in Berlin als einer der ersten Westalliierten den Führerbunker betreten hatte. Er erzählte mir von früher: wie er vor dem Krieg Austauschstudent in Jena gewesen und im Weimarer Hotel Elephant Adolf Hitler vorgestellt worden war; Hitler war auf der Durchreise nach Bayreuth. Oder wie er nach Kriegsende in Berlin das Newsweek-Büro eröffnet und einem deutschen Kollegen namens Rudolf Augstein regelmäßig Exemplare des US-Magazins zugeschickt hatte. Sie dienten Augstein als eines der Vorbilder für den SPIEGEL. Es ist faszinierend, von Zeitzeugen Geschichten zu hören, die Geschichte geschrieben haben, daher hat mich der Artikel meines New Yorker Kollegen Marc Pitzke in diesem Heft besonders berührt. Er traf den jüdischen US-Veteranen Werner Kleemann, aufgewachsen in Unterfranken, der vor den Nazis in die USA geflohen war. Er kehrte als Soldat zurück "in jene Hölle, der er nur knapp hatte entkommen können", wie Pitzke schreibt. Kleemann schilderte ihm, wie er als Soldat den D-Day überlebte, vor genau 70 Jahren. Das Stück ist Teil der Titelgeschichte über die Invasion am 6. Juni 1944 - die auch Jim O'Donnell nach Deutschland brachte.
Die Reportagen von Alexander Smoltczyk lese ich besonders gern, und wenn es sich um ein Wirtschaftsthema handelt, dazu ein hoch komplexes, bin ich erst recht gespannt. Smoltczyk ist die geplante Stromtrasse von der Wilster Marsch bis Unterfranken entlanggereist und hat Förderer wie Gegner des Projekts getroffen. Entstanden ist ein facettenreicher, hintergründiger Text über die Energiewende. Es gelingt Smoltczyk, die Widersprüche des Vorhabens herauszuarbeiten - und die der Protagonisten: wenn sich etwa ein Biobauer über die geplanten Riesenmasten ärgert, obwohl sie sauberen Windstrom transportieren werden. Warum? Weil sie auf seinem Land stehen sollen.
Ich bin kein Lottospieler, und nach Lektüre des Artikels von Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch und Jörg Schmitt werde ich es auch nicht mehr werden. Die Kollegen haben herausgefunden, dass ein Gewinnbetreuer der staatlichen Westlotto Gewinner hoher Summen offenbar mehrfach der Privatbank Merck Finck in die Arme getrieben hat. Deren Vermögensverwalter hätten den Lottogewinnern dann riskante Investments angedreht, darunter Schiffsfonds. Die vermeintlichen Glückspilze haben am Ende viel Geld verloren.
Wenn Pharmakonzerne Selbsthilfegruppen finanziell unterstützen, tun sie das nicht aus Barmherzigkeit - sie wollen Medikamente verkaufen; das ist kein Geheimnis. Was bislang aber bloß eine Vermutung war: Die meisten Zuwendungen fließen an Patientenvereine, deren Mitglieder die teuersten Arzneimittel benötigen. Jetzt hat ein Team von SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE Beweise für diesen Zusammenhang gefunden, mithilfe einer akribischen Datenrecherche. Die Kollegen haben alle 1364 Einzelspenden der Industrie im Jahr 2013 mit einem Gesamtwert von über 5,5 Millionen Euro ermittelt und in eine Datenbank übertragen. Sie ist auf www.spiegel.de/patientendatenbank frei zugänglich.
Viel Spaß bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Alexander Jung
SPIEGEL-Redakteur
Brak komentarzy:
Prześlij komentarz