wtorek, 29 stycznia 2013

Friedrich Hölderlin - Hälfte des Lebens (Interpretation

Hälfte des Lebens (1805)

Autor

: Friedrich Hölderlin

Epoche

Weimarer Klassik

Strophen

: 2,

Verse

: 14

Verse pro Strophe

: 1-7, 2-7

Wörter

: 58,

Sätze

: 3

101Mit gelben Birnen hänget
02Und voll mit wilden Rosen
03Das Land in den See,
04Ihr holden Schwäne,
05Und trunken von Küssen
06Tunkt ihr das Haupt
07Ins heilignüchterne Wasser.

208Weh mir, wo nehm' ich, wenn
09Es Winter ist, die Blumen, und wo
10Den Sonnenschein,
11Und Schatten der Erde?
12Die Mauern stehn
13Sprachlos und kalt, im Winde
14Klirren die Fahnen.

Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation 

In dem Gedicht „Hälfte des Lebens" von Friedrich Hölderlin, das 1803 von ihm verfasst wurde, nimmt beschreibt das lyrische Ich die Natur und nimmt Bezug auf das Thema der Überschrift, indem die zwei Hälften des Lebens beschrieben werden.
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils sieben Versen, wobei kein Reimschema vorliegt. Dies deutet darauf hin, dass in der Tradition der Antike geschrieben wurde.
In der ersten Strophe wird eine Landschaft beschrieben, in der zweiten Strophe folgt eine Klage des lyrischen Ichs, in der er seine Angst vor dem Eintreten des Winters konkretisiert.
Die erste Strophe beschreibt die erste Hälfte des Lebens, die dem Sommer zuzuordnen ist.
Im Gegensatz zur zweiten Strophe treten in der ersten vermehrt Adjektive auf. Das lässt darauf schließen, dass in der ersten Strophe die erste Hälfte des Lebens eher schön und optimistisch beschrieben wird. Folgende Adjektive sind zu finden: gelb (V. 1), wild (V. 2), hold (V. 4), heilignüchtern (V. 7).
In dem Parallelismus von „gelben Birnen" und „wilden Rosen" werden die Sinne verstärkt angesprochen, zum einen das Sehen, zum andere das Gefühl. „Hold" und „heilignüchtern" kommen aus dem Sakralen.
Da die Sprache in der ersten Strophe reich an Adjektiven ist, spricht dies für das volle Ausschöpfen des Lebens und im speziellen für das „wilde" Leben von der Kindheit über Jugend bis hin zum Erwachsenwerden. Lebensinhalte in der ersten Strophe sind zum Beispiel die gefühlvolle Liebe, die durch „wilden Rosen" (V. 2) symbolisiert. Diese stehen auch für die Natürlichkeit, die das lyrische Ich in dieser Situation empfindet.
In dem Gedicht wird ebenfalls die Reife durch die gelben Birnen erwähnt. Der nächste Themenkomplex umfasst die Reinheit, die durch die Schwäne (V. 4) und durch das „heilignüchterne Wasser" (V. 7) beschrieben wird. Dieser Gedanke wird durch die Farbe der Schwäne hervorgerufen und durch die reinigende Wirkung des Wassers, was durch „heilignüchtern" verstärkt wird.
In dem Wort „heilignüchtern" werden zwei antithetische Begriffe in einer Chiffre1 vereint. Dadurch wird der Gegensatz von Vernunft (nüchtern) und Gefühl (heilig) zum Ausdruck gebracht.
Der dynamische Zustand der Natur wir durch die Inversion2 in der Bedeutung höher gesetzt als der statische Zustand der Natur. Die Dynamik wird ausgedrückt durch das Reifen und Blühen der Früchte und Blumen wohingegen das Statische der Verbindung zwischen Land und See durch die fehlende Beschreibung durch genauer definierende Adjektive verkörpert wird.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die erste Strophe vor allem durch die Lebendigkeit geprägt ist.
Durch die Exclamatio „weh mir" (V. 8) wird die Klage des lyrischen Ichs zum Ausdruck gebracht. Dies wird verstärkt durch die rhetorische Frage mit der Repetitio des Wortes „wo". Auffallend ist in diesem Zusammenhang der Gleichklang am Wortanfang „weh", „wo", „wenn", „Winter" (V. 8 ff.). Der zweite Lebensabschnitt wird charakterisiert durch das Fehlen von Leben, Wärme, Farbe. Der Schatten der Erde (V. 11) ist in diesem Fall als etwas zu sehen, was das lyrische Ich vermissen wird, da Schatten nur in Verbindung mit Bewegung und Lebendigkeit auftritt und die Reflexion des Lichtes verkörpert, was auf das Fehlen der Gesellschaft hindeuten könnte. Dem lyrischen Ich wird also der Sonnenschein fehlen und somit das Licht und die Wärme, was für das Leben existenziell ist.
Die zweite Strophe scheint ein Ausblick auf die Zukunft zu sein, vor der das lyrische Ich Angst hat. Momentan befindet es sich noch in der vollen Lebendigkeit, es sieht aber das unausweichliche Eintreten der zweiten Lebenshälfte.
Außerdem werden zwei Sinne angesprochen: sehen (Naturbeschreibung) und fühlen (Kälte).
Die Personifikation3 in Vers 12, in der die Mauern sprachlos und kalt stehen drückt das Gefangensein des lyrischen Ichs im Älterwerden aus. Es ist, wie die Natur auch, den physikalischen Gesetzen unterworfen, und kann diesen Prozess nicht aufhalten. Dies wird durch die Adverbien sprachlos und kalt (V. 13) verstärkt. Sprachlos (V. 13) drückt aus, dass die Frage nicht beantwortet werden kann. Kalt meint ebenfalls das Fehlen des Lichts und das Ende des Lebens durch den Tod.
Der Optimismus der ersten Strophe wird also den traurigen Gedanken in der zweiten Strophe gegenübergestellt. Im Gegensatz dazu tritt ein verbindendes Element auf, das Enjambement4 (V 2 / 3; 5 / 6; 6 / 7; 8 / 9; 9 / 10; 12 / 13; 13 / 14), durch das ein Sprachfluss im gesamten Gedicht erreicht wird.
Das Gedicht beschreibt den Lauf des Lebens, wobei das lyrische Ich in der ersten Hälfte des Lebens steht und mit der letzten Hälfte unzufrieden ist, was sich in seiner Klage ausdrückt. Dies kann sich jedoch ändern, sobald das lyrische Ich sich in dem nächsten Lebensabschnitt befindet. Beide Strophen drücken nicht nur den Gegensatz von Jugendlichkeit und Alter aus, sondern auch von Wärme und Kälte, Helligkeit und Dunkelheit und von Tag und Nacht. Das Fehlen von Licht in der zweiten Strophe bedingt diese Gegensätze.
Durch diese Gegensätze, die wir täglich erleben, wird jedes menschliche Leben geprägt.

Anmerkungen


1Verschlüsselung. Dechiffrieren bedeutet demnach Entschlüsseln.
2Umstellung des Satzbaus.
3Bei der Personifikation wird ein lebloser oder ein abstrakter Begriff, oder aber auch ein Tier, „vermenschlicht". Personifikationen treten z.B. immer in Fabeln auf (da Tiere wie Menschen handeln). Anderes Beispiel: Der Mond schaut zornig drein; der Mond nimmt hier also charakteristische menschliche Züge an.
4Zeilensprünge. Ein Satz wird hier häufig gegen die Logik des Lesers mittendrin umgebrochen und auf zwei Verse verteilt. Je nach Kontext und Art der Umbrechung kann der Satz damit abgehackt (da man wegen der Unlogik zu Gedanken- und Sprechpausen gezwungen wird) oder auch temporeich wirken.

Informationen zum Beitrag


Autor/in: Franziska Marschick
Semester: -
Note: 
Schulform: (Fach-)Hochschule

Thematische Einordnung
Vergänglichkeit



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Quelle

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