Liebe Leserin, lieber Leser!
Sie könnten sich zu einer Staatsaffäre auswachsen: die Enthüllungen, wonach der Bundesnachrichtendienst (BND) im Auftrag der amerikanischen NSA Polit- und Wirtschaftsspionage in Westeuropa betrieben haben soll – zu einer Affäre, die nicht nur Innenminister Thomas de Maizière, sondern sogar Kanzlerin Angela Merkel in Bedrängnis bringt. Wie schon oft, wenn meine Kollegen in den vergangenen Jahren über die Zusammenarbeit des BND mit der NSA berichtet haben, macht mich das Ausmaß fassungslos. Ein Team von SPIEGEL-Redakteuren schildert in der Titelgeschichte, wie dem Kanzleramt in den vergangenen Jahren die Kontrolle über den BND entglitten ist – das Wort aus Washington habe für den BND oft mehr gegolten als das aus Berlin.
Wie ein Roman über einen Familienkrieg liest sich der Artikel meiner Kollegen Dietmar Hawranek und Dirk Kurbjuweit über VW. Ein Roman, dessen vorerst letztes Kapitel mit dem Satz beginnt: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn." Als Hawranek vor drei Wochen auf SPIEGEL ONLINE berichtete, dass der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Piëch diesen Satz über den VW-Chef gesagt habe, dachte ich zunächst, die Äußerung müsse ihm versehentlich herausgerutscht sein. Dass sie jedoch Teil eines umfassenden Plans war, dessen Scheitern VWs Zukunft in neue Bahnen lenkt, zeichnen die Autoren in ihrer sehr detailreichen Geschichte von Hybris und Fall nach.
Als Archetypen des Schreckens erscheinen die Dschihadisten von IS und al-Qaida, wenn sie maskiert und mit Kalaschnikow im Arm mit Tod und Vernichtung drohen. Meiner Kollegin Özlem Gezer ist es nun gelungen, einem Mann nahezukommen, der zurückgekehrt ist aus dem Dschihad. Emrah, so heißt er, gibt den namenlosen Kämpfern ein Gesicht. Gezer zeigt seine innere Zerrissenheit, sie beschreibt, wie er den Kontakt zu einer Ausstiegshelferin sucht und stattdessen an Szene-Helfer Bernhard Falk gerät. Das Ende macht Hoffnung und Angst zugleich. Ein Gefängnis-Imam schafft es, Emrahs Vertrauen zu gewinnen. Doch als Emrah in ein anderes Gefängnis verlegt wird und der Imam dort einen Kollegen auf seinen Schützling vorbereiten will, erreicht er niemanden: Es gibt dort schlicht keinen islamischen Seelsorger.
Mein neues Smartphone kann sehr viel: Es weist mir den Weg, redet mit mir, erinnert mich an Termine, misst sogar ungefragt die Zahl meiner Schritte. Doch noch weiß es nicht, wie ich mich fühle, wenn ich nach dem Weg suche, ob ich mich freue auf die Vorstellung im Theater oder ob ich mich lieber auf dem Sofa ausruhen würde. Dass das schon bald anders sein könnte, macht Johann Grolles Artikel deutlich. Er beschreibt, wie die Software Affdex gelernt hat, die menschliche Mimik zu lesen. Was ursprünglich als Hilfe für Autisten konzipiert war, nutzt nun vor allem die Werbe-Industrie, um herauszufinden, wie gut ein Spot ankommt. Hoffentlich lernt nicht irgendwann auch mein Telefon, was es bedeutet, wenn ich es wütend anpampe.
Eine erkenntnisreiche SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Charlotte Klein
SPIEGEL-Redakteurin
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