niedziela, 28 lutego 2016

SPIEGEL-Brief


Liebe Leserin, lieber Leser!
Als ich vor zwei Jahren meinen Führerschein machte, kam ich mir alt vor. Nicht nur, weil ich schon 42 war. Auch weil mein Fahrlehrer mir erklärte, dass er ein aussterbendes Gewerbe betreibe und schon meine Kinder keinen Führerschein mehr machen würden - es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die selbstfahrenden Autos auf den Markt kommen. In der Titelgeschichte des aktuellen SPIEGEL steht nun ein Datum. 2030 seien die selbstfahrenden Wagen serienreif, sagt ein Entwickler von Daimler. Aber die Geschichte geht um mehr als nur eine neue Technologie: Am selbstfahrenden Auto lässt sich ein weltwirtschaftlicher Grundkonflikt der kommenden Jahrzehnte erzählen. Wer wird die Oberhand bekommen, die alten europäischen Unternehmen, die von der Hardware kommen, oder die neuen Firmen von der amerikanischen Westküste, die ihr Geld mit Software gemacht haben? Und wie wird der Verkehr aussehen, wenn man nicht mehr selbst fahren muss? Werden wir mehr fahren oder weniger? Und wie ist es mit der Sicherheit? Die ganz großen Fragen. Der ebenfalls ganz große Text der Kollegen Markus Brauck, Dietmar Hawranek und Thomas Schulz beantwortet sie alle.
Mit Martin Walser konnte ich nie etwas anfangen. Ich habe keinen seiner Romane fertiggelesen. Und seine politischen Positionen habe ich nie geteilt. Umso erstaunter war ich über die Rede, die wir im Kulturteil des aktuellen SPIEGEL dokumentieren. Walser hat sie in Bochum gehalten bei einer Veranstaltung namens "Herausforderung Zukunft". Walsers Thema: Flüchtlinge. Er begrüßt die Zuwanderung, er glaubt, dass die deutsche Gesellschaft mit der Herausforderung zurechtkommen werde. Interessant ist seine Begründung. Die Flüchtlinge würden die deutsche Sprache bereichern. Es werde neue Redensarten und Erzählungen geben, die Flüchtlinge würden der Vielfalt unserer kulturellen Äußerungen weiteren Reichtum hinzufügen. Das ist ein guter Gedanke: Allzu oft haben Menschen in Deutschland Angst um die eigene Kultur, wenn sie über Neuankömmlinge nachdenken.
Dutzende von Flüchtlingen verlassen Deutschland jeden Tag wieder und fliegen freiwillig zurück in das Land, aus dem sie geflohen sind. Warum? Sind wir so schlecht zu ihnen, dass sie lieber zwischen Bürgerkrieg, Folter und Tod leben wollen als in einem deutschen Flüchtlingsheim? Takis Würger ist mit einem jungen Mann aus dem Nordirak zurück in seine alte Heimat geflogen und erzählt in einer wunderbaren Reportage von jemandem, der sich auf eine große Reise begab, der naiv war und ein bisschen dumm, für den es in Deutschland nicht so lief, wie er sich das vorstellte, und der nun zurück zu Hause auch nicht glücklich ist. Aber etwas zu erzählen hat. Nicht alle Flüchtlingsgeschichten sind große Tragödien. Es gibt auch die kleine Tragikomödie.
Dass der Fußball heute ein großes Geschäft ist, weiß jeder. Und fast jeder hat gelernt, sich damit zu arrangieren - nicht zuletzt weil so viel Geld in dieses Spiel fließt, ist die Ausbildung der Spieler und Trainer besser und der Fußball schöner als je zuvor. Nur "John" weigert sich, diese Logik zu akzeptieren. Er ist einer der Macher der Enthüllungsplattform Football Leaks, die Dutzende von Verträgen hochbezahlter Fußballer veröffentlicht und den Strom dreckiger Gelder offengelegt hat. "John" ist ein Fan und wie alle Fans ein Romantiker. Aber auch ein Realist, der weiß, dass er gejagt wird. Rafael Buschmann hat ihn getroffen.
Eine interessante SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Tobias Rapp
SPIEGEL-Redakteur

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