Zündfunke von Gemeindereferentin Andrea Bolz vom 27. Juli - 02. August 2009
Andrea Bolz
Deutsche Katholische Gemeinde
Puerto de la Cruz
Montag, 27.07.09:
„Der Jugend wird oft der Vorwurf gemacht, sie glaube immer, dass die Welt mit ihr erst anfange. Aber das Alter glaubt noch öfter, dass mit ihm die Welt aufhöre. Was ist schlimmer?" –
Dieser Satz stammt von Friedrich Hebbel und ist schon über 150 Jahren alt (1813-1863). Was ist nun schlimmer? – diese Frage kann ich nicht vorschnell beantworten. Zumal ich gelegentlich den Eindruck habe, dass es sich mit den jungen und alten Leuten auch umgekehrt verhalten kann. Dass junge Leute beruflich chancenlos und abgeschrieben sind. Dass sie keine Perspektiven im Leben haben und am Ende sind, bevor sie überhaupt angefangen haben. Und ich kenne alte Leute, die eine Zuversicht ausstrahlen, die mir zeigt: es geht immer weiter und ich gebe meinen Teil dazu.
Über die anderen reden ist immer leicht. Aber von sich selbst ausgehen? Ich für meinen Teil kenne diese Zeit auch, in der ich meinte, die Welt und in meinem Fall auch ganz besonders die Kirche verändern und vor allem verbessern zu müssen. Die Aufbruchsstimmung des II. Vatikanischen Konzils hat sich in uns weitergetragen. Die Katholische Kirche öffnete sich und ging auf die anderen Kirchen zu. Sie begann den Dialog mit anderen Weltreligionen. Sie entdeckte den Geist der Toleranz. Und sie erkannte eine neue Verantwortung für Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt.
Die Jahre und die Wirklichkeit haben mich etwas anderes gelehrt. Ich möchte nun nicht sagen, dass ich nüchterner geworden denn, denn Ideale habe ich nach wie vor und ich versuche sie auch immer noch umzusetzen. Aber die Verbissenheit, mit der ich das ganze angehe, die habe ich abgelegt. Und was für mich ganz wichtig geworden ist: Die Fragen sind mehr und die Antworten weniger geworden.
Aufhören, stehen bleiben in all meinen Fragen – kommt mir nicht in den Sinn. Denn den Gott, den mir Jesus verkündigt und bezeugt hat, er redet vom Anfangen. Er traut uns zu: Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde! Und man kann hinzufügen: Ihr seid der Sauerteig, die Hefe, der Zucker, der Pfeffer, der Zimt, der Kümmel . . . je nachdem, was man braucht, um so mancher Geschmacklosigkeit zu begegnen und dem Leben Geschmack zu geben.
Dienstag, 28.07.2009:
Der französische Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) hat vor bald 400 Jahren folgendes gesagt. „Der Mensch, der nur sich liebt, fürchtet nichts so sehr, als mit sich allein zu sein." –
Sie kennen den schönen Jüngling Narziß aus der griechischen Sage? Narziß, der sich in sein Spiegelbild verliebt hat und der sich deshalb ständig im Spiegel betrachten muss. Narziß ist ein ganz auf sich bezogener Mensch, der sich nur selbst bewundert. Und der soll nun Angst davor haben, mit sich allein zu sein? –
Dem Narziß in der griechischen Sage schien die Selbstbetrachtung im Spiegel zu genügen. Das scheint beim modernen Narziß anders zu sein. Zunächst braucht auch er den Spiegel, um sich zurechtzumachen. Aber dann braucht er das Publikum und andere, die ihn bewundern.
Ich kenne Leute, für die ist wirklich nichts schlimmer, als bei sich, mit sich allein zu sein. Das halten sie nicht aus. Und das gilt für alle Altersstufen. Die Fluchtpunkte der älteren Jahrgänge sind Dauerbeschäftigung oder – berieselung und am Wochenende möglichst viele Aktivitäten mit vielen Bekannten, sowie eine Einladung nach der anderen. Bei jungen Leute stellt sich mir die Fluchtfrage so: In welche Disco oder auf welche Party gehen wir heute? Alles, bloß nicht mit sich allein sein. Und wenn dann schon mal allein zu Hause, dann bitte keine Ruhe, sondern das Getöse muss weitergehen.
Ich genieße es, in Ruhe ein Buch zu lesen, Gedanken zu zulassen über mich und mein Leben nachzudenken. Meine Schwächen und Stärken in und an mir zu entdecken und sie anzunehmen. Es ist alles andere als leicht, mit sich selbst Geduld zu haben, barmherzig mit sich umzugehen. Alles Erfahrungen, die sich bei mir einstellen, wenn ich bei mir selbst, mit mir alleine bin.
Gerade deshalb glaube ich, dass ein jeder diese Zeit braucht. Sie ist wichtig für die seelische und die körperliche Gesundheit. Allein sein können ist wichtig, um ausgeglichener und gelassener zu sein. Und es ist wichtig, um die Mitmenschen, die Natur im Blick zu behalten. Vielleicht hat Gott ja etwas vor mit mir und ich spüre und bemerke es nur mal wieder nicht, weil ich mit allzu viel scheinbar wichtigem beschäftigt bin.
Mittwoch, 29.07.09:
Von Matthias Claudius stammt das allseits geflügelte Wort, das hervorragend in die Urlaubszeit passt: „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen." (1740-1815)
Wir stecken wieder mittendrin in dieser mit bestimmten Erwartungen vollgepropften Zeit. Aber können wir diese alle erfüllen?
Es ist im Urlaub eben auch so, wie im richtigen Leben. Eine Reise antreten ist ein Abbild unseres Lebens. Vieles ist mir vertraut, und immer wieder betrete ich Neuland. Einmal bin ich fasziniert von einem Menschen, von einer Idee, von einer Erfahrung, von etwas Neuem. Ein andermal erfahre ich, wie gefährdet ich sein kann. Ich schwanke immer zwischen bangen und hoffen. Ich erfahre, was mir gelungen ist und wo ich gescheitert bin. Unterwegs sein zeigt mir auch: Wege können Menschen trennen und zueinander führen. Und Reisen hat für mich mit Sehnsucht zu tun. Mit der Sehnsucht nach Leben und Liebe, nach Unverfälschtem und Ursprünglichem. Mit einer Sehnsucht, die irgendwie nicht gestillt werden kann. Auch die Sehnsucht nach Gott, der mich auf meinem Lebensweg begleiten will, gehört für mich da hin, allerdings ebenfalls ohne Gewähr, denn auch da kann nicht alles ohne Risiko ablaufen.
Aber ich vertraue darauf, dass ich in jedem Fall mit Gott rechnen kann. Dass er zu mir steht und mich nicht fallen lässt, was auch immer passiert. Dass ich nicht ins Bodenlose stürze, wenn ich denn schon mal wieder fallen sollte sondern ich weiß mich getragen und gehalten – auch in all dem, was ich nicht begreife und in aller Sehnsucht, die sich auf dieser Welt offensichtlich nicht erfüllt.
In einem modernen Kirchenlied singen wir unter anderem: „Wo du geliebt wirst, musst du nicht immer nur lachen, wo du geliebt wirst darfst du auch Sehnsüchte haben, manchmal ein Träumender sein, und für Versäumnisse, fehlende Gaben räumt man dir mildernde Umstände ein. Du wirst von der Liebe getragen, wenn auch unmerklich und leis.
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen" – sagt der Dichter.
Ich möchte immer wieder davon erzählen, was sich auf meiner Reise durchs Leben so alles tut – bei mir, mit meinen Mitmenschen und mit meinem Gott.
Donnerstag, 30.07.09:
Vom bekannten und berühmten Bischof und Theologen des Altertums, Augustinus stammt folgender Satz: „O Mensch, lerne tanzen, sonst können die Engel im Himmel mit dir nichts anfangen." Ist das nicht etwas ungewöhnlich für einen Bischof, so etwas zu sagen? Eilt der Kirche nicht eher der Ruf voraus, alles was mit Freude am Leben zu tun hat zu verdammen?
Ich aber glaube, dass Augustinus mit diesem Bild etwas Wichtiges über das Leben nach dem Tod aussagt und er meint, das Leben im Himmel erschöpft sich nicht in ewiger Langeweile und nur im nach Aloisius Manier - im Halleluja Singen. Und es ist auch nicht erstarrte Ruhe – dort im Himmel, sondern eine tatsächliche Lebendigkeit.
Natürlich kann kein Mensch sagen, wie das im Letzten sein wird. Unsere Begriffe reichen da nicht aus. Und wissen, wissen tun wir es schon gar nicht. Genau deshalb brauchen wir Bilder. Das Bild vom Tanz ist für mich ein wunderschönes Bild. Ich denke an Paare, die sich im Takt eines schwungvollen Wiener Walzers bewegen. Oder ich denke an den Tango, den ich besonders gerne tanze. Es darf aber auch Salsa oder Mambo sein, Tänze bei denen der Einsatz des ganzen Körpers notwendig ist. Nun bin ich absolut kein Fan von Techno oder Hip-Hop aber für denjenigen, der sich zu dieser Musik bewegt ist das Ziel das gleiche.
Augustinus kannte weder den Wiener Walzer noch den Hip-Hop. Ich weiß auch nicht, was man in seiner Zeit, also im 5. Jahrhundert getanzt hat. Aber das Bild des Tanzes spricht: Tanz ist Bewegung, Dynamik, Harmonie – ein Miteinander mit Schwung.
Tanzen kann begeistern, und Begeisterung hat etwas für mich mit dem Himmel zu tun. Denn, wer von etwas begeistert ist, ist erfüllt von Gottes Geist. Er lässt sich begeistern, wenn ein Baby lächelt, wenn er auf eine wunderbare Landschaft blickt oder eine bewegende Musik hört.
Bin ich mit begeisterungsfähigen Menschen zusammen, kommt keine Langeweile auf. Da sprüht das Leben, da ist Frische und Lebendigkeit. Menschen, die begeistern, reißen mit, so wie der Tanz uns lebendig macht, und das weckt die Lust am Leben. Und das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende himmlische Leben.
Freitag, 31.07.09:
Unsere Augen seien ein Spiegelbild unserer Seele sagt, man. Was aber kann man nicht alles in den Augen der anderen lesen, ohne das jetzt medizinisch oder psychologisch deuten zu wollen
Nicht nur durch den allseits bekannten Klassiker Casablanca und dem darin vorkommenden Satz: „Schau mir in die Augen Kleines", lässt sich diese Aussage begreiflich machen. Wie oft benutzen wir Redewendungen – die genau auch dieses ausdrücken. Und wer versteht nicht, was in einem Menschen vorgeht, dessen Blick tieftraurig ist, und dem Tränen aus den Augen kullern. Oder wir können an den verweinten Augen unserer Mitmenschen bemerken, da ist wohl irgend etwas nicht in Ordnung. Dagegen haben glückliche Menschen strahlende Augen. Ihre Augen geben in dem Fall das positive Lebensgefühl, das in diesen Menschen steckt nach außen ab. Deshalb sagt uns ja auch der Prophet Jesaja: „Hebe unsere Augen auf zu dir, lass uns weitergeben, was du uns schenkst." Kann man aber auch einen Christen an seinen Augen erkennen?
In der Bibel kommt das Auge erstaunlich oft vor. Da ist von den Augen Gottes die Rede, die gnädig auf Menschen ruhen; aber es heißt auch, der Schuldige „bestehe nicht vor Gottes Augen". Noch öfter ist von den Augen der Menschen die Rede: Sie können spotten und hochmütig blicken, stolz sein und funkeln, aber auch trübe vor Gram sein, sehnsüchtig und voller Tränen. Und in der Bergpredigt Jesu steht: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wem dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein." (Matthäus 6,22)
Kann man einen Christen an den Augen erkennen? Es gibt Menschen, die haben einen besonderen Blick, haben etwas Strahlendes in ihren Augen. Das Auge spiegelt das Licht wider, Licht, das ein Mensch von Gott empfangen hat. Gott hat uns einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, der leuchtet aus den Augen heraus. Sollte er zumindest. Ich hoffe sehr, dass es auch in meinem Herzen und meinen Augen, aus Ihren Herzen und Ihren Augen leuchtet. Und deshalb wünsche ich Ihnen einen leuchtenden Tag.
Samstag, 01.08.2009:
Urlaubsstimmung ist angesagt – auf der Insel das ganze Jahr über – aber jetzt ganz besonders. Und dennoch treffe ich auf viele missmutige Gesichter und ich frage mich dann:
Warum sind viele Menschen unzufrieden? Was fehlt Ihnen denn?
Keine Frage, dass wirtschaftliche Sorgen, Krankheiten und andere Probleme Menschen sehr belasten. Aber sie gehen sehr verschieden damit um. Die einen haben trotz ihrer Probleme Freude am Leben, andere verbittern immer mehr und daran ändert auch eine Urlaubsreise nichts. Oder vielleicht doch?
Eine Verbitterung entwickelt sich immer dann, wenn jemand nur noch das sieht, was schiefgegangen ist, was nicht geklappt und was gefehlt hat oder weiterhin fehlt. Manche Menschen merken irgendwann gar nicht mehr, wie sehr sie sich angewöhnt haben, nur auf das Negative zu sehen und alles andere völlig auszublenden. Dabei werden sie immer hungriger nach Gutem, nach Gelingen und Glücklichsein. Aber niemand und nichts kann diesen Hunger stillen, weil einfach nichts den riesigen Ansprüchen genügt. Ein Teufelskreis also?
Kann so ein Teufelskreis durchbrochen werden? Gibt es da Auswege? Ja, die gibt es in Form ein kleiner Geschichte:
Sie erzählt von einem italienischen Adligen, der niemals sein Haus verließ, ohne sich zuvor eine Hand voll Bohnen einzustecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Nein, er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrzunehmen und um sie besser zählen zu können. Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte – zum Beispiel ein angenehmes Gespräch auf der Straße, das Lachen einer Frau, ein gutes Essen, eine feine Zigarre, einen schattigen Platz in der Mittagshitze – für alles, was die Sinne erfreute, ließ er eine Bohne von der einen Seite der Jackentasche in die andere wandern. Manchmal waren es sogar zwei oder drei auf einmal.
Abends saß er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Dies tat er langsam und genießerisch. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes er an diesem Tag erlebt hatte und freute sich. Manchmal hatte er nur eine einzige Bohne in der linken Tasche. Aber auch dann war der Tag gelungen – auch dann hatte es sich zu leben gelohnt!
Sonntag, 02.08.2009:
„Wir könnten Menschen sein. Einst waren wir schon Kinder. Wir sahen Schmetterlinge, wir standen unterm silbernen Wasserfall. Wir sahen alles. Wir hielten die Muschel ans Ohr. Wir hörten das Meer. Wir hatten Zeit." Passende Worte zur Ferien- und Urlaubszeit von Max Frisch? (1911-1991)
Als Erwachsene scheinen wir oft wichtige Merkmale des Menschseins verloren zu haben. Nach dem Motto: „Wir können alles – nur Zeit haben wir keine mehr." Oft fehlen uns der Mut, die Kraft oder der Wille zum Innehalten - zur Pause.
Und doch sollten wir sie uns immer wieder gönnen: die Zeit zum Staunen und Beobachten, was es in der Natur an Schönem gibt. Zeit für die Familie und für Freunde. Zeit für ein Fest. Zeit für uns selbst: ausruhen, sich an den schönen Dingen des Lebens freuen, zur Besinnung kommen.
Aber da beginnt schon ein Problem: Sich Zeit nehmen, Stille aushalten, Pausen gestalten – das ist schneller gesagt als getan. Und für umtriebige Zeitgenossen ist das gar nicht leicht. Manche haben geradezu Angst vor der Stille, vor solchen Ruhe-Zeiten, sie suchen die Dauerbeschäftigung. Aber vielleicht stimmt es gerade deshalb: Mach mal Pause!
Die Bibel erzählt in der Schöpfungsgeschichte recht anschaulich: Am sechsten Tag, nach allen anderen Geschöpfen, erschuf Gott zum Schluss den Menschen. Und am siebten Tag ruht Gott und mit ihm alle Geschöpfe. (Genesis 1,26-2,4a)
So fängt der Mensch sein Leben mit einem Ruhetag an. Und das ist mit der bleibende Sinn des Sonntags: Wir dürfen ihn feiern und genießen als einen Tag des Dankens und der Freude an Gottes schöner Welt.
Vor 2000 Jahren machte Jesus seinen Weggefährten Mut zur Pause. Der Evangelist Markus berichtet: „Nach einem anstrengenden Tag versammelten sie sich wieder bei Jesus. „Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und ruht ein wenig aus." Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit einem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein." (6,30-32).
Heute ist wiederum so ein Sonntag – ein Tag zum Pause machen. Ein Tag zum Entspannen – auch im Urlaub!
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