Liebe Leserin, lieber Leser!
Gestern sprachen meine Frau und ich über einen möglichen neuen Hausgenossen: einen Hund, groß, fies, unberechenbar. Ein Vieh, das jedem Fremden an die Kehle geht. Es war mein Vorschlag gewesen. Oder meine Idee. Denn ich hatte bereits die Titelstory dieser Woche gelesen, und ich war sehr erschrocken. Einbrüche sind offenbar gang und gäbe in unserem Land, Polizei und Politik, das habe ich dem Text entnommen, haben den Krieg längst aufgegeben. Ich ging im Geiste durch, was ein Einbrecher bei uns alles mitnehmen könnte; nichts, was nicht zu verschmerzen wäre, aber dennoch ist die Vorstellung, dass das Heim durchwühlt wird, sehr, sehr unangenehm. Es sind haarsträubende Fakten, die meine Kollegen für diesen Text zusammengetragen haben - und umso wichtiger und wünschenswerter scheint mir, dass diese Geschichte eine Debatte auslöst. Deutschland darf nicht ein Paradies für Einbrecher bleiben, die Aufklärungs- und Verurteilungsquote darf gern etwas abschreckender sein. Von der Abschreckung durch einen großen, fiesen Hund sind meine Frau und ich übrigens dann doch abgekommen. Fürs Erste. Es kommen ja manchmal unerwartet Freunde und Gäste.
Dann möchte ich Sie gern aufmerksam machen auf einen Artikel meiner Kollegin Julia Jüttner - "Im Keller brennt wieder Licht". Sie seziert darin die ungewöhnlichen Ermittlungen über einen mutmaßlich sadistischen Serienmörder, einen Mann, der wahrscheinlich sechs Menschen getötet und verstümmelt hat, um seine Fantasien auszuleben. Der Artikel behält einen ruhigen, nüchternen Ton bei, referiert die perversen Details im Duktus der Ermittler, und vielleicht wird gerade dadurch die Tragödie erträglich, verständlich.
Sehr gern las ich auch eine Reportage aus London: Unser Korrespondent dort, Christoph Scheuermann, hat sich als Brexit-Helfer verdungen, um mal herauszufinden, was die britischen Europa-Aussteiger wirklich wollen, wie es bei ihnen zugeht. Pikant daran: Scheuermann hat schon als Schüler Europa mit Freude bereist, geliebt, immer an Europa geglaubt. Und mir gefällt an dem Text seine originelle Herangehensweise, gleichsam als U-Boot schleicht Scheuermann sich ein, und die Tatsache, dass der Kollege keinen Hehl daraus macht, dass er was lernt. Er geht nicht als Besserwisser in die Recherche, sondern - wie sagt man in London? - open minded. Empfehlenswert!
Auf den Dächern von New York - auf manchen dieser Dächer jedenfalls - sprießt offenbar Rucola, gedeihen Mangold und Tomaten: eine neue Mode. Die Betreiber, die gestern anscheinend eher Websites designten, am Börsenmarkt mitmischten oder in Boutiquen als Verkäuferinnen jobbten, versuchen sich nun als Großstadtbauern. Und sind wohl eher unvorbereitet: Bei einer Schubkarre müssen sie wahrscheinlich eine Zeichnung hervorholen, um zu wissen, wo man anfasst, oder sie haben die App dazu. Dennoch ist das Ganze mehr als ein Spleen von Brooklyn-Hipstern: Das habe ich aus der amüsant zu lesenden Reportage meines Kollegen Philipp Oehmke gelernt - hinter diesem "Foodamentalismus" (was sich aus "Food" und "fundamental" fügt) steht der Wunsch einer Generation, in schwierigen Zeiten etwas Gutes zu tun, wenigstens dort, wo man kann. Bei aller Aufgesetztheit oder Künstlichkeit dieser Haltung - allemal besser als eine Karriere als Einbrecher.
Eine interessante SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Ralf Hoppe SPIEGEL-Redakteur
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