Liebe Leserin, lieber Leser!
Wenn Deutschland, Land der Autobahnen, etwas kann, dann Straßen bauen. Und was zu Hause gut funktioniert, könnte doch auch dem Kongo helfen? So hatten sich das wohl Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe überlegt, als sie begannen, eine Straße durch den Kongo zu planen, ein Land, das durch den Krieg grundlegender verwüstet worden ist als viele andere Länder. Samiha Shafy ist auf der Straße gereist, die die Welthungerhilfe mittlerweile durch den Urwald gezogen hat. Doch auf und entlang der Straße ist es nicht so wie zu Beginn gedacht. Große Teile sind gesperrt, vielerorts zerfällt die Straße schon wieder, der Handel, den das Projekt eigentlich befördern wollte, kommt nicht in Gang. Shafy beschreibt ein Vorhaben, das gut gemeint war, aber wie viele Projekte der Entwicklungshilfe im Begriff ist zu scheitern: „Es war eine Idee von bestechender Logik", schreibt sie, „geboren aus dem deutschen Glauben an Ordnung und Struktur."
Das Internet, so großartig es als Erfindung ist, ist leider auch Sammelort militanter Spinner. Auf Websites wie „abtreiber.com" maßen sich selbst ernannte Lebensschützer an zu wissen, was richtig und was falsch ist, konkret: ob eine Frau eine Schwangerschaft vor der Zwölf-Wochen-Frist abbrechen darf. In den Siebzigerjahren kämpften Frauen für ebenjenes Recht: „Mein Bauch gehört mir" wurde zum legendären Spruch. Das war 1971. Im Jahr 2015 lauern deutsche Abtreibungsgegner Frauen vor Praxen auf, sie reden auf sie ein, drücken ihnen Plastikembryos in die Hand und wollen sie bekehren. Leider haben die rücksichtslosen Fanatiker Erfolg: Deutschlands bekanntester Abtreibungsarzt hat bereits eine seiner Praxen schließen müssen. In Städten wie Bamberg und Ingolstadt gibt es keinen Mediziner mehr, der Abbrüche ohne medizinische Indikation vornimmt. Stattdessen müssen Patientinnen mehr als hundert Kilometer weit fahren. Vivian Pasquet und Christopher Piltz berichten in ihrem Text „Am digitalen Pranger" über diese Entwicklung.
Auch meine Kollegen aus dem Deutschlandressort schreiben über Medizin – und enthüllen Schauerliches: Das Klinikum Bayreuth soll eine 41-jährige Frau wiederbelebt und an eine Beatmungsmaschine angeschlossen haben – nach etwa 20-minütigen Herzstillstands, trotz Patientenverfügung und trotz des ausdrücklichen Wunsches, sterben zu dürfen. Der Vorwurf des Vaters wiegt schwer: Man habe seine „klinisch tote Tochter unsinnigen Qualen ausgesetzt" und daran gut verdient. Denn was in Deutschland vermutlich häufiger vorkommt, scheint in diesem Fall Methode gehabt zu haben: Patienten mit zweifelhaften Überlebenschancen wurden am Leben erhalten und an ihnen teure Behandlungen vorgenommen. Wenn die Anschuldigungen stimmen, dann ist Bayreuth „ein Paradebeispiel dafür, was passieren kann, wenn die Medizin unter den Druck von Kaufleuten gerät".
Viel Spaß bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Laura Höflinger
SPIEGEL-Redakteurin
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