Liebe Leserin, lieber Leser!
Bislang beschäftigte die Behörde knapp 2600 Mitarbeiter, bald schon sollen es 7300 sein: Kein Ministerium in Berlin wächst momentan so schnell wie das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ausgerechnet ein alter Nazibau am Rande des Reichsparteitagsgeländes beherbergt die Zentrale, in der vom Asylantrag bis zur Planung der Deutschen Islam Konferenz oder zum Einsatz auf Lesbos alle Fragen entschieden werden. Meine Kollegen Alexander Smoltczyk und Wolf Wiedmann-Schmidt waren dort und erzählen von dem Moloch ebenso einfühlsam wie ironisch: wie da mit urdeutscher Bürokratie „Integriertes Flüchtlingsmanagement" geplant wird, wie seit den politischen Veränderungen der rot-grünen Regierung Schröder eher praxisferne Akademiker bei der Planung beteiligt sind, dass ein Viertel der Mitarbeiter des BAMF selbst einen Migrationshintergrund hat. Dennoch dauert ein Verfahren nicht, wie unter idealen Umständen möglich, acht Stunden, sondern 152 Tage, durchschnittlich. Fast tröstlich, was an den Blumenkübeln steht: „Pflege erfolgt über eine Fachfirma".
Auch in einer weiteren Geschichte, die mich sehr beeindruckt hat, geht es um eine Institution: Unsere Kunstexpertin Ulrike Knöfel hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters an ihrem Dienstort im obersten Geschoss des Berliner Kanzleramts besucht. Was einst als Durchlauferhitzer-Posten für smarte Kulturkarrieristen galt, ist unter der machtbewussten Grütters zur Planungsinstanz gewachsen: Hier konzipiert man die künftige Weltkultur-Schau im wiedererstandenen Preußenschloss, hier geht es oft um Raubkunst. Hier ist aber auch die Novelle des Gesetzes für Kulturgutschutz entstanden, die seit Monaten Kunstsammler so sehr erbittert, dass sie ihr Eigentum außer Landes schaffen, um nicht, wie sie sagen, die „Enteignung" fürchten zu müssen. Grütters, katholische Arzttochter aus Westfalen, hat offenbar Mühe, sympathisch zu wirken; sie erscheint ähnlich fahl wie ihre Dienstherrin und Hausgenossin Merkel. Einen liebenswerten Zug hat sie jedenfalls: Die Dame füttert gern Krähen.
Ein Problem, das sehr bald fast jeden von uns betreffen könnte, haben die Kollegen Christian Neef und Hilmar Schmundt recherchiert: Ein russisches Start-up hat eine App entwickelt, die Menschen anhand ihres Gesichts identifiziert. Man stelle sich vor: Man wird von einem Wildfremden fotografiert, und alles Wichtige, angefangen beim Namen, ist umgehend offenbar! So nützlich die Technik sein könnte - als Ersatz für Passwörter beispielsweise -, so unheimlich klingt es, wenn ausgerechnet die Moskauer Stadtregierung plant, „Extremisten" über Beobachtungskameras und eine Gesichtsdatenbank abzufangen.
Wie bedeutsam das Thema ist, zeigt auch eine andere Geschichte: Indien hat begonnen, für seine Bürger biometrische Ausweise mit persönlicher Nummer einzuführen. SPIEGEL-Korrespondent Wieland Wagner hat mit Betroffenen gesprochen, die dank ihrer neuen Ausweiskarte nun leichter an staatliche Unterstützung kommen; mein Kollege Wagner traf aber auch auf Kritiker. Sie fürchten, die Milliarden von Personendaten könnten in einer „Blackbox" ohne klare Zugriffsrechte verschwinden. Arbeitgeber sind offenbar schon eifrig dabei, das neue System zur Disziplinierung ihrer Belegschaft zu nutzen - das lässt auch außerhalb Indiens nicht nur Gutes erwarten.
Eine interessante SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Johannes Saltzwedel
SPIEGEL-Redakteur
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