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13.06.2008 20:27
Was dürfen ARD und ZDF im Internet?
Noch ist nicht klar, was genau die Ministerpräsidenten am gestrigen
Donnerstag in Sachen öffentlich-rechtliches Internet beschlossen[1]
haben, Schriftliches gibt es noch nicht. Die teils scharfen Reaktionen
gründen sich auf ein paar frei formulierten Aussagen des hessischen
Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und seiner Kollegen im Rahmen
einer Pressekonferenz gestern in Berlin. Heftig reagierten die
Zeitschriftenverleger, aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender.
Sie wissen schon, dass der von den Ministerpräsidenten bearbeitete
Entwurf sie über Gebühr einschränken werde.
Dabei hat den Text noch niemand gesehen, auch nicht bei der ARD. Der
letzte zirkulierte Entwurf vom 4. Juni, an dem sich die ohnehin hitzige
Debatte erneut entzündet[2] hatte, war von den Referenten am
vergangenen Mittwoch erneut überarbeitet und dann den
Ministerpräsidenten vorgelegt worden. Dem Vernehmen nach haben die
Länderchefs selbst noch Textkorrekturen vorgenommen, die nun von den
Referenten in Abstimmung mit den Staatskanzleien in das Papier
eingearbeitet werden. Mit dem fertigen Entwurf ist Anfang der kommenden
Woche zu rechnen.
Bis dahin bleiben für die Beantwortung der Frage, was die
Öffentlich-Rechtlichen künftig dürfen und was nicht, hauptsächlich
die Äußerungen Kochs und seiner Kollegen sowie die Interpretationen
der beteiligten Sender und Verbände. Fasst man das alles zusammen,
dürfen ARD und ZDF im Netz künftig nicht alles, aber immer noch so
Einiges.
So können sie nach den bisher verfügbaren Informationen ihre Radio-
und Fernsehprogramme streamen und bis zu sieben Tage online zum Abruf
bereithalten sowie mit vertiefendem Video-, Audio- und Text-Material
begleiten. Videoberichte von Sportveranstaltungen, die in vorherigen
Entwürfen des Staatsvertrags auch schon einmal ausgeschlossen worden
waren, sollen für 24 Stunden befristet möglich sein. Nicht
sendungsbezogene "presse-ähnliche Angebote" sollen den Ministern
zufolge komplett untersagt werden.
Ausnahmen von der 7-Tage-Regel sind möglich, sollen aber in dem
sogenannten "Drei-Stufen-Test" von den Gremien abgesegnet werden.
Diesem "Public-Value-Test" nach britischem Vorbild sollen auch Angebote
unterzogen werden, die keinen direkten Sendungsbezug haben. Damit
dürfte längst nicht alles schon nach sieben Tagen von den Websites
der öffentlich-rechtlichen Sender verschwinden. Archive mit "zeit- und
kulturgeschichtlichen Inhalten" sollen unbefristet möglich sein und
durch den Drei-Stufen-Test jeweils abgesegnet werden. Eine sogenannte
Negativliste soll klar definieren, was ARD und ZDF nicht dürfen.
Strittig ist noch die Frage, wie mit Unterhaltungsangeboten umgegangen
wird. Da gebe es "noch keine Klarheit", sagte der rheinland-pfälzische
Ministerpräsident und SPD-Chef Kurt Beck gestern in Berlin. Sein
hessischer Kollege Roland Koch (CDU) hatte konkretere Ansichten: "Es
wird keine Kontaktbörsen, Beratungsdienste oder Freizeittipps im
Internet bei ARD und ZDF geben", erklärte Koch und legte damit den
Finger auf die noch offene Wunde.
Während die CDU-Ministerpräsidenten reine Unterhaltungsangebote nicht
vom Grundauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gedeckt sehen,
gehören diese für Beck und seine SPD-Kollegen dazu. Sollte sich Beck
durchsetzen können, sei das im Prinzip ein Freibrief und eine
faktische Erweiterung der bisherigen Möglichkeiten, warnen die
Privaten. Denn die bisherige freiwillige Deckelung der Mittel bei 0,75
Prozent des Gebührenaufkommens wird wohl wegfallen. Ohnehin dürfte es
im Einzelfall schwer werden, reine Unterhaltung von kulturellen oder
Bildungsbeiträgen zu trennen.
Als bedauerlich bezeichneten[3] es daher auch die Zeitungsverleger,
dass den Öffentlich-Rechtlichen "lediglich im Bereich der
nicht-sendungsbezogenen Telemedien eine klare Absage an lange Text- und
Fotoangebote" eine Absage erteilt werde. Mit dem "Segen der
Ministerpräsidenten" hätten ARD und ZDF jetzt "freie Bahn". Wie die
Kollegen Zeitschriftenverleger setzen die Zeitungsmacher auf die von
den Ministerpräsidenten beschlossene Abstimmung mit der EU-Kommission
und hoffen auf "ein Machtwort aus Brüssel".
Davor hat der ARD-Vorsitzende Fritz Raff keine Angst. "Dafür sehe ich
keine Notwendigkeit. Die deutsche Politik hat bisher den Freiraum, den
Brüssel eingeräumt hat, gar nicht genutzt", sagte Raff im
Interview[4] mit tagesschau.de. Der ARD-Chef geht davon aus, dass das
bestehende ARD-Angebot im Netz von den neuen Regelungen unberührt
bleibe. Jetzt gelte es, beim Kleingedruckten am Ball zu bleiben. "Dann
könnte am Ende doch noch ein Vertragstext herauskommen, mit dem wir
leben können."
Skeptischer als Raff ist offenbar WDR-Intendantin Monika Piel. Ihr
gehen die Pläne der Ministerpräsidenten viel zu weit[5]. "Die Verbote
gehen weit über das hinaus, was die EU-Kommission ursprünglich
verlangt hatte", sagte Piel am Donnerstagabend in Köln. Sie
begrüßte die im Entwurf vorgenommene Definition der "elektronischen
Presse", will nun aber umgekehrt geprüft wissen, was die Verleger in
diesem Hinblick anbieten. Reine Videoportale dürften nicht unter den
Begriff der elektronische Presse fallen, sagte die Intendantin. "Sie
wären Rundfunk und unterlägen dem entsprechenden Rundfunkrecht."
Damit bestätigte Piel die schlimmsten Befürchtungen der Verleger.
Siehe dazu auch:
WDR-Intendantin kritisiert Online-Beschränkung für ARD und ZDF[6]
Ministerpräsidenten wollen Begrenzung öffentlich-rechtlicher
Internetangebote mit Brüssel abstimmen[7]
Ministerpräsidenten beraten Online-Grenzen für ARD und ZDF[8]
Zeitungsverleger fordern faire Rahmenbedingungen im Netz[9]
EU-Medienkommissarin: Öffentlich-rechtliche Online-Presse riskiert
Konflikt mit Europarecht[10]
Springer-Chef Döpfner sieht kleine Verlage durch ARD und ZDF
bedroht[11]
Oettinger: Gegen Google sind alle deutschen Medienhäuser zu klein[12]
Beckstein gegen öffentlich-rechtliche Presse im Internet[13]
ARD und ZDF: Freiwillige Beschränkung für mehr Online-Freiheit?[14]
Industrieverband fordert klare Grenzen für Öffentlich-Rechtliche im
Netz[15]
Streit um neues Rundfunkgesetz zieht sich hin[16]
ARD und ZDF: Zurück ins Mittelalter?[17]
Rundfunkgebühren: EU-Kommission stellt Verfahren gegen Auflagen
ein[18]
(vbr[19]/c't)
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[3] http://www.bdzv.de/pressemitteilungen+M50844e18dc8.html
[4] http://www.tagesschau.de/inland/onlineaktivitaeten2.html
[16] http://www.heise.de/newsticker/Streit-um-neues-Rundfunkgesetz-zieht-sich-hin--/meldung/107978
[17] http://www.heise.de/newsticker/ARD-und-ZDF-Zurueck-ins-Mittelalter--/meldung/106378
[19] mailto:vbr@ct.heise.de
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