czwartek, 22 maja 2008

Komandosi

Spezialkommandos
23.05.2008
KABUL/BERLIN
(Eigener Bericht) - Der zweite Kampfeinsatz unter deutscher Beteiligung in Nordafghanistan und die abschließenden Vorbereitungen für die Entsendung einer Schnellen Eingreiftruppe leiten eine neue Phase der deutschen Kriegführung am Hindukusch ein. Mehr als 60 deutsche Soldaten sind in die "Operation Karez" involviert, die unter der Führung eines Bundeswehr-Generals Aufständische bekämpft; die Schnelle Eingreiftruppe aus Norwegen, die dabei gemeinsam mit der afghanischen Armee die Hauptlast der blutigen Gefechte trägt, wird in wenigen Wochen durch deutsche Einheiten ersetzt. Laut Regierungsberatern kämpfen die westlichen Besatzungsarmeen gegen "eine kontinuierlich an Präsenz und Durchsetzungskraft gewinnende Aufstandsbewegung". Bundeswehr-Manöverszenarien zeigen, wie die afghanische Polizei in die militärische Aufstandsbekämpfung einbezogen wird. Berlin hat die Mittel für afghanische Polizeitrainings verdreifacht und zieht zur Unterstützung Organisationen der sogenannten Entwicklungshilfe heran. Eine Zeitschrift der Bundeswehr zieht Parallelen zur sowjetischen Kriegführung am Hindukusch. Wie es heißt, habe Moskau nur mit einer Truppengattung echte Erfolge erzielen können: mit Spezialkommandos des Militärgeheimdienstes. Operationen irregulärer, offenbar geheimdienstlichem Befehl unterstehender westlicher Verbände hat in diesen Tagen ein Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen festgestellt.
Operation Karez
In Afghanistan hat Anfang Mai der zweite umfangreiche Kampfeinsatz unter deutscher Beteiligung begonnen. Mehr als 60 Bundeswehr-Soldaten sind in die "Operation Karez" involviert, die von Brigadegeneral Dieter Dammjacob befehligt wird, dem Chef des ISAF-Regionalkommandos Nord. Die Offensive soll Aufständische in die Flucht schlagen und ein Gebiet zurückerobern, das schon im vergangenen Jahr der Kontrolle der NATO entglitten war; damals hatte die ISAF mit dem ersten Kampfeinsatz unter deutscher Führung den Aufstand blutig niedergeschlagen ("Operation Harekate Yolo II").[1] Das Geschehen wiederholt sich zur Zeit. Die Hauptlast der Gefechte wird dabei - wie bereits im Herbst - durch eine Schnelle Eingreiftruppe ("Quick Reaction Force", QRF) aus Norwegen sowie durch die afghanische Armee getragen, während die Bundeswehr lediglich Führungspersonal und Sanitäter stellt - Aufgaben, die einen deutschen Blutzoll vorerst noch unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Offensive findet jedoch wie ihre Vorläuferin vom letzten Jahr außerhalb des deutschen Mandatsgebietes statt und kann nur mit Mühe mit den Vorgaben des deutschen Bundestages für den Einsatz in Einklang gebracht werden.
Mehr Tote
Bereits in wenigen Wochen wird der deutsche Einsatz am Hindukusch endgültig eine neue Eskalationsstufe erreichen. Im Juli ersetzt eine Schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr die norwegischen Einheiten, die zur Zeit unter deutschem Kommando kämpfen. Deutsche Soldaten werden daher bei der nächsten Offensive von Brigadegeneral Dammjacob auch unmittelbar in blutige Gefechte verwickelt. Die letzten Vorbereitungen für den Einsatz werden in diesen Tagen getroffen. In der vergangenen Woche hat das Verteidigungsministerium einen PR-Termin für die Medien organisiert, die die deutsche Öffentlichkeit auf die Kriegseskalation und auf eine mögliche Zunahme deutscher Todesopfer vorbereiten sollen. Anlass war ein Manöver der Schnellen Eingreiftruppe im Gefechtsübungszentrum Altmark (nördlich Potsdam), laut Bundeswehr "Europas modernstem Übungszentrum für Bodentruppen, in dem jährlich bis zu 15.000 Soldaten ausgebildet werden".[2] Die Übung vereinte zum ersten Mal sämtliche Teile der "Quick Reaction Force".
Paramilitärs
Aufschluss über die deutschen Kampfstrategien, die auch afghanische Polizeieinheiten einbeziehen, gab das Manöverszenario. "Soldaten der deutschen Quick Reaction Force (QRF) haben den Auftrag, bei einer Zugriffsoperation den äußeren Ring um eine Ortschaft zu bilden, die Zufahrtsstraßen zu überwachen und zu sperren", beschreibt die Bundeswehr die Handlung der Kriegsübung. "Soldaten der Afghan National Army (ANA) bilden den inneren Kreis, Polizeikräfte der Afghan National Police (ANP) führen den Zugriff in der Ortschaft durch." Das Szenario weist nicht nur klassische Kolonialmuster auf, indem es den einheimischen Repressionskräften die gefahrvollen Aufgaben mit Nahkontakt zu den Aufständischen zuordnet, während die Soldaten der Besatzer im Hintergrund die Kontrolle ausüben. Es offenbart außerdem den paramilitärischen Charakter, den der Westen der afghanischen Polizei zugedacht hat.[3]
Zeithorizont
Damit erscheint nicht nur die Verdreifachung der Mittel für den Aufbau der afghanischen Polizei, die die Bundesregierung Ende 2007 beschlossen hat, in einem neuen Licht. Auch Polizei-Maßnahmen der Bundeswehr, die mit einem eigens eingerichteten Feldjägerausbildungskommando afghanische Polizisten trainiert, sind damit als Teil offener Aufstandsbekämpfung erkennbar.[4] Die Bundeswehr hat die Zahl der Feldjäger, die afghanische Polizisten im Umgang mit Waffen und Repressionstechniken instruieren, zum 1. Mai von 30 auf 45 erhöht. Hintergrund ist das unverkennbare Anschwellen der afghanischen Aufstände, das Aufrüstung und Personalverstärkung sowie eine langfristige Kriegsplanung auf Seiten der Besatzer hervorruft. Berliner Regierungsberater sprechen inzwischen offen von einer "kontinuierlich an Präsenz und Durchsetzungskraft gewinnende(n) Aufstandsbewegung" [5] und machen Vorschläge zur Verstärkung der Bundeswehreinheiten [6]. Das Bundesverteidigungsministerium bereitet neue Aufrüstungsschritte vor und hat der Firma Eurocopter einen Auftrag zum Umbau von Transporthubschraubern in Aussicht gestellt. Sechs Modelle des Typs CH-53 G sollen zu CH-53 GSX umgerüstet werden, um den Anforderungen der eskalierenden Kämpfe zu entsprechen. Das Auslieferungsdatum - November 2009 - verdeutlicht den langfristigen Berliner Zeithorizont für den Afghanistan-Krieg.
"Entwicklungshilfe"
Die paramilitärische Nutzung der afghanischen Polizei zur Aufstandsbekämpfung rückt auch Leistungen der sogenannten Entwicklungshilfe in ein neues Licht. Erst kürzlich hat das Auswärtige Amt bestätigt, dass am Aufbau der afghanischen Polizei auch die bundeseigene "Entwicklungsorganisation" Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) beteiligt ist. Die GTZ, die weltweit als Durchführungsorganisation für das Bundesentwicklungsministerium auftritt, organisiert den Bau zahlreicher afghanischer Polizeiposten und arbeitet damit der Aufstandsbekämpfung unmittelbar zu.[7]
Ausländische Geheimdienste
Schwere Vorwürfe gegen die afghanische Polizei, aber auch gegen die westlichen Besatzungstruppen hat vor wenigen Tagen der UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche und willkürliche Hinrichtungen, Philip Alston, erhoben. Alston hatte sich in Afghanistan aufgehalten und dort die zahlreichen Todesfälle in der Zivilbevölkerung untersucht. Seinen Angaben zufolge gehen nicht nur viele willkürliche Hinrichtungen auf das Konto der afghanischen Polizei, die in aller Regel straflos bleibt und von der Bundesregierung jetzt stärker in die Aufstandsbekämpfung einbezogen wird. Daneben haben die westlichen Besatzungstruppen allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2008 rund 200 Zivilpersonen umgebracht. Vor allem aber berichtet Alston von irregulären Einheiten, die in Afghanistan straflos handeln können und dabei offenkundig auch Morde begehen. Wie der UN-Sonderberichterstatter mitteilt, "scheinen sie von ausländischen Geheimdiensten kontrolliert zu werden".[8]
Bis zu 80 Prozent
Vor diesem Hintergrund gewinnen Betrachtungen neue Bedeutung, die bereits zu Jahresbeginn in einer Zeitschrift der Bundeswehr angestellt wurden. Dort hieß es mit Blick auf die sowjetische Invasion in Afghanistan von 1979, Moskau habe "erst nach zwei Jahren Krieg" eingesehen, "dass die traditionellen Bodenoperationen gegen die Guerilla-Taktik der afghanischen Mudschaheddin erfolglos waren". Der Kreml sei danach "zu Spezialoperationen" übergegangen. In besonderem Maße hätten sich dabei Spezialkommandos des Militärgeheimdienstes ("GRU SpezNas") hervorgetan.[9] "Die GRU-Spezialeinheiten", urteilt demnach ein Hauptmann des russischen Generalstabs, waren "die einzige Kraft, welche die Aufständischen effizient bekämpfen konnte". Die Bundeswehr-Zeitschrift schließt sich dieser Auffassung an. "Die Mannstärke der Spezialeinheiten machte nur fünf Prozent der Gesamtstärke der 40. Armee in Afghanistan aus", heißt es dort: "Der Anteil von Spezialoperationen an der Kampftätigkeit der 40. Armee betrug aber laut Angaben der sowjetischen Militärexperten bis zu 80 Prozent."
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