czwartek, 15 maja 2008

Wierny jest niczym

© unbekannt
Priestermangel in der Diözese Linz: Bald jede zweite Pfarre ohne Pfarrer
Monarchistisches Prinzip in der Kirche
von
Josef Achleitner

„In diesem System ist der Laie nur ein Knecht"
Einer für viele: Der Reichenauer Pfarrer Hans Wührer, vielen Oberösterreichern als langjähriger voest-Pfarrer bekannt, geht demnächst frustriert und enttäuscht von der Kirchenführung in Pension. Im OÖN-Interview schildert er seine Sicht der Kirchenmisere.

OÖN: Nach dem Predigen hat Bischof Ludwig Schwarz mit Berufung auf Rom nun den kirchlichen Laientheologen auch das Taufen im Ausnahmefall untersagt. Wie kommen solche Einschränkungen der Nicht-Priester bei Ihnen als Pfarrer an?

Wührer: Entsetzlich. Zum einen tut die Kirche so, als gäbe es den Personalmangel, der überall zu sehen ist, nicht. Und dann ist das ein Rückfall in Urzeiten. Es gab doch das Zweite Vatikanische Konzil, bei dem vom Priestertum aller Gläubigen die Rede war. Der Klerikalismus kommt offenbar wieder total zurück, und das nicht erst seit gestern. Mir fällt in dem Zusammenhang nur der Begriff Rassismus ein: so, als ob es zweierlei Menschen gäbe, werden die Geweihten für mehr wert gehalten als die Nicht-Geweihten. Deshalb dürfen Nicht-Priester nicht mehr taufen und sollen keine Gemeinden mehr leiten dürfen.

OÖN: Gibt es für das Letztere schon Pläne?

Wührer: Es soll schon beschlossene Sache sein, dass die bewährte Einrichtung der Pfarrassistenten auslaufen muss. Diese Tätigkeiten sollen Priester aus Polen oder Nigeria machen, nicht mehr die eigenen Leute.

OÖN: Wie wird sich das auswirken?

Wührer: Das wird sich in mehrerer Hinsicht auswirken. Die Laien werden dadurch demoralisiert. Ein Teil wird sich zurückziehen. Für die Pfarrer wird die Überlastung überhandnehmen. Es besteht die Gefahr, dass der Priester dann nur noch klerikaler Beamter ist, der nicht Zeit für Kontakt mit den Mitgliedern der Gemeinde hat, sondern nur noch seine Weiheverpflichtungen und Sitzungen absolviert.

OÖN: Haben Sie in Ihrer Tätigkeit in Reichenau so etwas wie Überlastung gespürt?

Wührer: Ich kenne die Situation teilweise schon aus den 70er Jahren, dass man nach zwei Messen in der eigenen Pfarrer zu einer Messe in eine andere Pfarre sausen muss, ohne dass man mit jemandem reden kann. Das ist unbefriedigend, wird aber nicht besser werden. Der Pfarrer von Hellmonsödt und ich in Reichenau betreuen die Pfarre Kirchschlag in einem Seelsorgeraum mit. Wenn wir beide jetzt in Pension gehen, wird wohl nur noch ein fixer Pfarrer nachfolgen. Ob die ausgeschriebene Stelle einer Pfarrassistentin noch wirklich besetzt wird, darauf sind wir neugierig. Für die Assistentin bräuchten wir dann noch einen Priester als Pfarrmoderator, weil die ja nicht alleine eine Gemeinde leiten darf.

OÖN: Kann die katholische Kirche ohne Laien ihren Betrieb aufrechterhalten?

Wührer: Die Kirche ist nie ohne Laien ausgekommen. Nach dem Vatikanischen Konzil war aber neu, dass sie auch Verantwortung übernehmen und nicht nur Befehlsempfänger sein sollten. In Rom wollen viele hinter diese Zeit zurück, das ist jetzt die Frage. Wir sind gewöhnt an die Arbeit der gut ausgebildeten Laien, die im Großen und Ganzen in den vergangenen Jahren hervorragend war. Gleichzeitig tut die Kirche nichts, aber auch gar nichts, um mit der Erleichterung der Zulassungsbedingungen den Priestermangel zu beheben.

OÖN: Der neue harte Kurs ist mit dem neuen Bischof Ludwig Schwarz in die Diözese gekommen. Glauben Sie, dass er aus eigenem Antrieb, auf Druck aus Wien oder aus Rom so handelt?

Wührer: Ich kann mir vorstellen, dass sich Bischof Schwarz verpflichtet fühlt, weil er dem Papst Gehorsam geschworen hat. Er hat offenbar vor allem ein Gehör für das, was aus Rom herkommt, und weniger für das, was vom Kirchenvolk kommt. Das Malheur ist, dass die Kirche so autoritär verfasst ist, dass in ihr Demokratie nicht vorgesehen ist. Man kann das nicht einem Bischof als Person ankreiden. Aber er ist eben Repräsentant eines Systems, in dem der Laie in Wirklichkeit nur ein Knecht ist.

OÖN: Erwarten Sie eine Änderung des Kurses, wenn Rom wie erwartet Bischof Schwarz einen Weihbischof an die Seite stellt?

Wührer: Eine Änderung im Sinne des Konzils? Ich fürchte eher das Gegenteil.

OÖN: Sie gehen jetzt mit 65 Jahren in Pension, viel später als der Durchschnittsösterreicher, aber doch um einiges früher als die meisten Pfarrer. Haben Sie genug?

Wührer: Für mich ist es genug, weil ich spüre, dass meine Kräfte abnehmen. Vor allem sind es aber die Umstände, unter denen wir arbeiten. Wenn ich weitermache, würde ich einem System Vorschub leisten, mit dem ich nicht einverstanden bin. Das System heißt Wiedererweckung des Klerikalismus. Und den dürfte es in der Kirche Jesu eigentlich gar nicht geben. Denn eine heilige Herrschaft ist ganz gegen Jesu Absicht. Jesus hat gesagt, dass wir andere nicht Lehrer, Vater oder Meister nennen sollen, weil wir alle Schwestern und Brüder sind.


OÖnachrichten vom 16.05.2008

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